Freitag, 24. September 2010

3. Fred Schneider - Bilderserie zum Thema Paprika

Allseits beliebtes Objekt, sowohl in der modernen Kunst als auch bei Kleinkindern, denen man das erste mal in ihrem noch so jungen Leben einen Wachsmalstift in die Hand gedrückt hat, ist Gemüse. Gemüse in seinen vielfältigen Ausprägungen bietet eine hervorragende Ausdrucksmöglichkeit für Analogien zum alltäglichen Sein und Nicht-Sein. Eine Kartoffel kann ein Symbol für Stärke sein, eine Tomate kann die Auswirkungen von zu harten Borsten auf das Zahnfleisch abbilden und manch ein Pilz lässt einen gar Dinge assoziieren, die eher in das Schlafgemach gehören.

Der gebürtige Kieler Künstler Fred Schneider wagt sich im Bereich Gemüse jedoch auf unbekanntes Terrain. So galt die Paprika unter ernsthaften Malern lange Zeit als verpönt, wenn nicht gar als Tabu. Die fehlende Grazie einer Artischocke, der Mangel an Stringenz in der Formgebung, die texturlose Oberfläche, all diese Faktoren ließen die Paprika als zu ordinär und zu unbedeutend für die Abbildung auf einer Leinwand erscheinen. Schneider hingegen schafft es in seiner Bilderserie zum Thema Paprika dem sonst so unscheinbaren Gemüse Leben einzuhauchen, gar eine fortlaufende Geschichte zu erzählen, deren poetische Ausmaße nur als episch zu bezeichnen sind.



Das hier zu sehende Gemälde "rote Paprika" gibt das Leitmotiv dieser Serie wieder, indem es die Figur der titelgebenden roten Paprika dem Betrachter einführt. Den letzten Satz habe ich bewusst so geschrieben, damit der Verinnerlichungsprozess deutlich wird. Noch ist nicht auszumachen, welchen Hintergrund diese Paprika hat. Dieser Eindruck wird nicht zuletzt auch durch das gänzliche Weglassens eines gemalten Hintergrundes, wie beispielsweise einen sonst in diesem Genre gängigen Holztisch oder zumindest eine schöne Schale, getragen. Ein Bild, das beim Betrachter mehr Fragen als Antworten aufwirft.



Etwas Licht ins Dunkle bringt nun das Gemälde mit dem bezeichnenden Titel "Paprika". Hier sehen wir die bereits bekannte rote Paprika, die sich anscheinend einer grünen Paprika zu nähern versucht. Letztere liegt flach auf dem, na, wie soll man das nennen, Boden...dem grauen Untergrund da, während die rote Paprika ob dieses Anblickes sich schamvoll abzuwenden versucht. Man spürt geradezu das Knistern zwischen den beiden Gemüsen, doch im selben Augenblick erkennt man auch die Spannungen. So scheint die rote Paprika recht unerfahren im Umgang mit anderen Paprika, mit grünen im Speziellen, zu sein. Bahnt sich hier ein Rassenkonflikt an? Oder geht es vielmehr um unterschiedliche Wertvorstellungen, um zwischenmenschliche Kontraste? Die grüne Paprika macht jedenfalls kein großes Buhei um ihre schlüpfrigen Absichten, während die rote Paprika ein flottes Knickknack mit ihren christlichen Werten und Normen nicht vereinbaren kann.




Die Folgen dieses Konfliktes werden in "rote Paprika Nr.3" Gewissheit. Die rote Paprika ist wieder allein. Doch was besonders beeindruckt ist der Ausdruck des Gemüses. Doch drückt dieser beeindruckende Ausdruck deshalb mehr aus als ein? Keineswegs! Der wahre Hintergrund des ganz offenkundig schockierten Nachtschattengewächses wird erst mit einem Blick auf ein weiteres Gemälde deutlich.



Die flittchenhafte grüne Paprika hat sich nach der abwartenden Haltung der roten also blitzschnell neu orientiert und bereits in Form einer orangen Paprika adäquaten Ersatz gefunden! Und ohne große Umschweife geben sich beide im Bild "Paprika orange und grün" ihrer Wollust hin, während die rote das ganze Spektakel mit ansehen muss. Es soll ihr das Herz brechen.



In Folge dieses Vorfalls beginnt ein schwere Leidenszeit für die rote Paprika. Die Konsequenzen dieser Leidensperiode markiert das unorthodox benannte Gemälde "rote Paprika Nr.2", welches eine deutlich abgemagerte Frucht präsentiert.



Doch Fred Schneider ist nicht ohne Grund als alter Romantiker verschrien. So lernt die nicht nur von Schneider, sondern auch vom Leben gezeichnete rote Paprika im Bild "Spitzpaprika" ein weiteres Gemüse kennen, welches ganz offenbar sehr ähnliche Erfahrungen gemacht haben muss. Die Vorsilbe "Spitz" darf hier auch getrost auf die Folgen der bisherigen Enthaltsamkeit der beiden Gewächse gemünzt werden. Der Beginn einer großen Liebe also? MITNICHTEN!!!



So verenden in dem Bild "Paprika und Gurke" beide Gemüsen fein zerhackt in einem Einmachglas. Im Tode vereint. Was im ersten Moment so hilflos romantisch wirkt, wird im gleichen Atemzuge durch ein Glas grüner Gurken, die genauso gut auch eine merkwürdig geschnittene grüne Paprika darstellen könnten, geschändet. Ein mutmaßlicher Verweis auf die rot-grüne Regierung Gerhard Schröders 1998-2003? Vielleicht. Doch geht es Fred Schneider am Ende nicht um etwas viel größeres als die Politik vergangener Tage? Ich sage ja, denn über allem steht hier immer noch: das Gemüse.

2 Kommentare:

  1. Ich ess' so gerne Paprika, dafür fahr' ich bis nach Afrika!

    In Gedenken an diesen wunderschönen Reim, der erfolgreich vor großem Publikum Anklang und Würdigung fand, habe ich mich wirklich außerordentlich über diesen niveauvollen und nachdenklichen Artikel gefreut. Danke für diese neuen Sichtweisen, ich ziehe meinen Hut. Respekt und so!

    Für den nächsten bahnbrechenden Artikel wünsche ich mir etwas von Grozs, dem alten Pornoliebhaber. Kann aber auch was Anständiges sein, ich bin da nicht so.

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  2. Die Buchstaben vertauscht, schon kommt etwas anderes heraus. Ich meinte natürlich den Künstler Grosz, George Grosz, großer Sozial- und Gesellschaftskritiker des letzten Jahrhunderts.

    So, und nun grüße ich noch alle, die mich kennen. Tschüs!

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